von Ibrahim Elmadfa & Alexa L. Meyer
26. August 2019 | Der Weg der Sojabohne zur Nahrungspflanze
Die Nutzung der Sojabohne reicht in Ostasien mindestens fünftausend Jahre zurück, wie Samenfunde aus China, Korea und Japan zeigen (Crawford, 2011; Lee et al., 2011; Zhao, 2011). Die Domestikation der in weiten Teilen Ostasiens vorkommenden Wildform Glycine soja fand wahrscheinlich unabhängig voneinander an mehreren Orten statt, wie Funde in Nord- und Ostchina, Korea und Japan sowie genetische Studien suggerieren, und der Anbau der Kulturform Glycine max weitete sich allmählich auf die ganze Region aus. Erste belegte schriftliche Erwähnungen stammen aus der frühen Zhou-Dynastie (ca. 1045 bis 771 v. Chr.) (Xu et al., 2002; Hymowitz, 2008; Crawford, 2011; Lee et al., 2011; Zhao, 2011; Sedivy et al. 2016). Während die ganze Bohne kaum gegessen wird, außer in ihrer jungen grünen Form („Edamame“ in Japan), war man sehr kreativ bei der Verarbeitung, was sich in so vielfältigen Produkten wie Sojasauce und Misopaste als Würze, Tofu und Tempeh als pflanzliche Eiweißquellen und Fleischersatz oder Sojamilch zeigt. Oft wird sie dabei einer Fermentation unterworfen, um sie besser verdaulich zu machen (Liu, 2008).
Der Vorstoß der Sojabohne nach Westen fand dagegen verhältnismäßig spät statt. Obwohl Reisende wie Marco Polo sie und aus ihr hergestellte Produkte durchaus kennengelernt haben könnten, finden sich darüber keinerlei Berichte. Erst ab dem späten 15. Jahrhundert werden Produkte wie Sojasauce, Miso und Tofu beschrieben, und ab dem 16. Jahrhundert brachten niederländische Kaufleute Sojasauce auch nach Europa, wo sie rasch beliebt wurde. Die erste genaue Beschreibung der Sojabohne selbst geht auf den deutschen Arzt und Forschungsreisenden Engelbert Kämpfer zurück, der von 1690 bis 1692 in der niederländischen Handelsniederlassung im japanischen Nagasaki lebte und ausführlich über die japanische Kultur und Umwelt berichtete. Im Lauf des 18. Jahrhunderts wurden Sojabohnen in Botanischen Gärten Europas gepflanzt, jedoch nicht als Nahrungsmittel genutzt. In dieser Zeit erreichte die Sojabohne auch Nordamerika und wurde dort erfolgreich kultiviert. Ihr Anbau wurde unter anderem von Benjamin Franklin propagiert. Auch in Frankreich erforschte man ihre Eigenschaften (Hymowitz, 2008).
Als Wegbereiter der Nutzung der Sojabohne in Europa ist allerdings besonders der österreichische Agrarwissenschaftler Friedrich Haberlandt zu nennen. Als Professor für Pflanzenbau an der Hochschule für Bodenkultur in Wien von 1872 bis 1878 führte er selbst zahlreiche Anbauversuche mit Samen durch, die er auf der Wiener Weltausstellung 1873 bekommen hatte, an der erstmalig Japan teilnahm (Haberlandt, 1878; Langthaler, 2015). Sein Vorhaben, Soja sowohl als neue Nahrungsquelle als auch als Tierfuttermittel in großem Rahmen einzuführen, realisierte sich jedoch erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders während der Weltkriege, als das Interesse an der Sojabohne als Ölpflanze und ab den 1950er Jahren in zunehmendem Maße auch als Futterpflanze für die Tiermast stieg. In Europa und in vielen anderen Teilen der Welt macht letztere Verwendung inzwischen den Hauptteil aus (Langthaler, 2015). Tatsächlich wird weniger als ein Drittel der weltweiten Sojaernte direkt von Menschen verzehrt, vor allem in Form von Öl und aus der Ölgewinnung stammenden Proteinzubereitungen (Potts et al., 2014). In Hinblick auf die positiven Eigenschaften von Soja und daraus hergestellten Produkten und vor dem Hintergrund der negativen Auswirkungen eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel auf Umwelt und Klima ist dies durchaus bedauernswert, wie im Folgenden dargestellt werden soll.
Die Sojabohne als klimaschonender Proteinlieferant

Reife Sojabohnen sind reich an Protein (Tabelle 1), von dem sie deutlich mehr enthalten als andere Hülsenfrüchte (etwa 35 Prozent gegenüber 20-25 Prozent) (Elmadfa et al., 2019). Sie sind allerdings nicht nur in quantitativer sondern auch in qualitativer Hinsicht eine ausgezeichnete Proteinquelle. Sojaprotein weist unter den pflanzlichen Proteinen die höchste Wertigkeit auf. Darunter versteht man die Nutzbarkeit eines Proteins durch den Körper. Abgeschätzt wird diese anhand der Zusammensetzung eines Proteins aus den einzelnen Aminosäuren. Proteine bestehen aus zwanzig solcher Aminosäuren, von denen neun, die so genannten unentbehrlichen Aminosäuren, über die Nahrung zugeführt werden müssen, da der Körper sie nicht synthetisieren kann. Die Qualität eines Proteins wird daran gemessen, wie gut es den jeweiligen Bedarf des Menschen oder von Tieren an diesen Aminosäuren abdeckt (WHO/FAO/UNU, 2007). Dabei wird die am geringsten enthaltene Aminosäure als limitierend bezeichnet. Wie in Abbildung 1 zu sehen, wird mit Sojaprotein der Bedarf an allen Aminosäuren, sogar an den limitierenden schwefelhaltigen, voll gedeckt. Damit reicht die Qualität von Sojaprotein an jene von hochwertigen tierischen Proteinen wie jenen aus Hühnerei oder Milch heran und übertrifft andere pflanzliche Quellen bei weitem. Außerdem kann eine Kombination verschiedener Proteine Mängel an einzelnen Aminosäuren über den Ergänzungseffekt ausgleichen. Diese geschieht zum Beispiel, wenn Weizen- und Sojaprotein zu gleichen Teilen gemischt werden. Weizen allein mangelt es an der Aminosäure Lysin, die nur gut die Hälfte des Bedarfs ausmacht. Die Kombination von Soja und Weizen wertet beide Proteine auf (WHO/FAO/UNU, 2007). Sojaproteine haben außerdem auch eine Reihe funktioneller Eigenschaften. Sie senken den Cholesterinspiegel und den Blutdruck, wirken entzündungshemmend und antioxidativ (Chatterjee et al., 2018).

S-haltige AS: Schwefelhaltige Aminosäuren (Methionin und Cystein); BCAA: verzweigtkettige Aminosäuren (Valin, Leucin, Isoleucin); aromatische Aminosäuren: Phenylalanin und Tyrosin
Die hohe Proteinqualität macht Sojaprodukte zu einem interessanten Ersatz für Fleisch und andere tierische Lebensmittel. Sojagetränke sind mittlerweile als Milchersatz weit verbreitet. Bei vergleichbarem Eiweißgehalt haben sie dank des niedrigeren Anteils an gesättigten Fettsäuren ein günstigeres Fettsäuremuster, im ungesüßten Zustand einen geringeren Energiegehalt und sind frei von Laktose, welche von vielen Menschen nicht vertragen wird. Die meisten Vitamine und Mineralstoffe finden sich ebenfalls in entsprechender Menge in Sojadrinks, an Folsäure sind sie sogar reicher. Ausnahmen stellen dagegen Calcium, Vitamin B2 und Vitamin B12 dar, für die Milch eine wesentlich bessere Quelle ist (Elmadfa et al., 2017). Dieser Mangel lässt sich jedoch leicht durch eine Anreicherung von Sojadrinks mit diesen Nährstoffen beheben.
Sojaprodukte haben als Ersatz für Fleisch und andere tierische Lebensmittel nicht zuletzt aufgrund der geringeren Auswirkungen ihrer Gewinnung auf die Umwelt und das Klima Bedeutung. Der Anteil der Tierhaltung an den anthropogenen Treibhausgasemissionen wird auf etwa 18 Prozent geschätzt und trägt fast 80 Prozent der aus der Landwirtschaft stammenden Ausstöße bei. Ein Großteil davon erfolgt in Form in Stickoxiden, Ammoniak und Methan aus Gülle und der Ausscheidung durch Wiederkäuer (FAO, 2006). Der Anbau von Soja ist wie der von anderen Hülsenfrüchten dagegen mit geringeren Emissionen verbunden. In einer Umweltbilanzstudie basierend auf einem Life Cycle Assessment aus den Niederlanden ergab sich für die Produktion von Sojagetränk und Tofu ein Treibhausgasausstoß von 0,6 beziehungsweise 2 kg CO2-Äquivalenten pro kg, während für die Produktion von Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch jeweils 15,9, 4,5 bzw. 2,6 und für Käse 8,9 kg CO2 pro kg anfielen (Blonk et al., 2008).
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen auch Einfluss auf die Zusammensetzung von Sojabohnen haben können. So führt Trockenheitsstress zu einer Reduktion des Fettgehalts besonders zu Lasten der für das Herz-Kreislaufsystem gesundheitsfördernden mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Dornbos & Mullen, 1992). Hitzestress bedingt auch einen geringeren Gehalt an Isoflavonen (Chennupati et al. 2011), die im Folgenden noch genauer besprochen werden.
Soja als Fettquelle
Sojabohnen sind allerdings nicht nur eine gute Quelle für hochwertiges Protein, sondern auch für Fett, von dem sie ebenfalls deutlich höhere Mengen enthalten als die meisten anderen Hülsenfrüchte (etwa 18 Prozent gegenüber meist unter 2 Prozent). Das Fett in Sojabohnen weist darüber hinaus ein günstiges Fettsäuremuster auf, da es arm an gesättigten (GFS) und reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (MUFS) ist. Bei einer täglichen Energiezufuhr von 2000 kcal deckt 1 EL à 10 g Sojaöl 95 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr an der unentbehrlichen Linolsäure (LA) (Elmadfa et al., 2017).
Ein Ersatz von GFS durch MUFS beugt koronaren Herzerkrankungen vor, indem die Blutfettwerte verbessert werden. Die Konzentrationen an Gesamt- und LDL-Cholesterin und Triglyzeriden werden gesenkt (Mozaffarian et al., 2010).Besonders hervorzuheben ist dazu der Gehalt des Sojafetts an Alpha-Linolensäure (ALA), dem Ausgangsmolekül aller n-3 (bzw. Omega-3)-MUFS. Die ALA kommt in beachtlichen Konzentrationen in einigen Pflanzenölen wie Sojaöl vor.
n-3-MUFS haben in Studien eine herzschützende Wirkung gezeigt. Eine vermehrte Zufuhr von ALA kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (zum Beispiel Herzinfarkte) sowie für koronare Todesfälle vermindern (Abdelhamid et al., 2018). n-3-MUFS zeichnen sich außerdem durch ihre immunmodulierende Wirkung aus. Bestimmte langkettige n-6- und n-3-MUFS dienen als Vorstufen für die Eicosanoide, Botenstoffe, die im Körper unter anderem Entzündungsvorgänge steuern. Dabei sind die aus n-3-MUFS entstehenden Vertreter weniger entzündungsfördernd als die aus n-6-MUFS gebildeten und wirken dazu auch eher gefäßerweiternd (Yaqoob, 2003). Zwar ist die Umwandlung von ALA in die längerkettigen, stärker ungesättigten Eicosanoidvorstufen im Körper sehr ineffizient, da der Umbau von ALA und LA (die als Vorstufe für die n-6-Vertreter dient) jedoch über denselben Stoffwechselweg verläuft, konkurrieren beide Fettsäuren dabei miteinander. Eine höhere Aufnahme von ALA verschiebt das Verhältnis zugunsten der n-3-MUFS und kann daher zu einer vermehrten Bildung entzündungshemmender Eicosanoide beitragen (Brenna et al., 2009). Außerdem besitzt ALA ebenfalls entzündungshemmende Eigenschaften (Pauls et al., 2018).
Obwohl manche andere Pflanzenöle wie Leinsamen-, Leindotter-, Hanfsaat- und Walnussöl noch höhere Gehalte an n-3-MUFS aufweisen, ist Soja durchaus eine gute Quelle: Bei einer täglichen Energiezufuhr von 2000 kcal deckt 1 EL à 10 g Sojaöl 70 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr (Elmadfa et al., 2017). Trotz des höheren Gehalts an n-6- als an n-3-MUFS in Sojabohnen war deren Konsum mit einer Verminderung von Entzündungsvorgängen verbunden und fördert zudem die Gesundheit des Herzkreislaufsystems (Azadbakht, 2007). Zu den positiven Effekten von Soja tragen allerdings auch noch andere Bestandteile außer Protein und Fettsäuren bei, die in raffiniertem Öl fehlen, was für den Konsum der ganzen Bohne oder daraus abgeleiteten Produkten wie Tofu spricht (Ramdath et al., 2017; Reinwald et al., 2010). Der hohe Gehalt an MUFS macht Sojaöl außerdem empfindlich für Oxidation, was sich besonders beim Erhitzen zeigt. Allerdings enthalten Sojabohnen auch Vitamin E, welches ein wirksames natürliches Antioxidans ist und die ungesättigten Fettsäuren schützen kann. Dabei sind sie besonders reich an γ-Tocopherol, einer Form von Vitamin E, die zwar weniger biologische Aktivität besitzt, dafür aber Öle besser vor Fettoxidation und damit Ranzigwerden schützt und stabiler als die Hauptform α-Tocopherol (Wagner et al., 2004a). γ-Tocopherol zeigte in manchen Studien auch eine stärkere Schutzwirkung vor Herzkreislauferkrankungen und Krebs, zum Beispiel indem es die Entstehung oxidativ bedingter Erbgutschäden verringert (Elmadfa & Park, 1999; Wagner et al., 2004)
Die Rolle der Phytoöstrogene
Neben energieliefernden Nährstoffen wie Protein und Fett sowie Vitaminen und Mineralstoffen enthalten Sojabohnen weitere Substanzen, die zwar vom Körper nicht unbedingt benötigt werden, aber eine Reihe positiver Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Diese als sekundäre Pflanzenstoffe bekannten Verbindungen kommen besonders in wenig verarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen und Vollkorngetreide vor. Von den verschiedenen Vertretern sind in Sojabohnen vor allem die so genannten Phytoöstrogene von Interesse. Wie ihr Name verrät, weisen diese Substanzen eine dem weiblichen Sexualhormon Östrogen ähnliche chemische Struktur auf und können deshalb an dessen Rezeptoren im Körper binden, wenngleich mit niedrigerer Affinität (Cipoletti et al., 2018). Die Phytoöstrogene in Sojabohnen gehören zur Gruppe der Isoflavone (auch Isoflavonoide genannt) und kommen in anderen Lebensmitteln nur in kleinen Mengen vor.
Der Gehalt an Gesamtisoflavonen und den Hauptvertretern Genistein, Daidzein und Glycitein schwankt stark je nach Sojabohnensorte, Anbaubedingungen und –ort (USDA, 2015). Besonderes Interesse gilt der möglichen präventiven Wirkung von Isoflavonen vor Brustkrebs und möglicherweise auch anderen sexualhormonabhängigen Krebsarten. Isoflavone binden vorwiegend an den β-Östrogenrezeptor, welcher in Abhängigkeit von der Östrogenkonzentration exprimiert wird, eher antiproliferativ (d.h. das Zellwachstum vermindernd) wirkt und die wachstumsstimulierende Wirkung des α-Rezeptors unterdrückt (Cipoletti et al., 2018). Tatsächlich tritt Brustkrebs in Ostasien, wo die Isoflavonzufuhr aufgrund des traditionell hohen Sojakonsums um ein Vielfaches höher liegt als in westlichen Regionen, weniger auf (Messina, 2016; Zhao et al., 2019). In einer Reihe von Studien fand sich ein inverser Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Sojaprodukten und dem Brustkrebsrisiko sowie der Gesamtmortalität und der durch Brustkrebs, Krebs im Allgemeinen und Herzkreislauferkrankungen bedingten Sterblichkeit. Eine höhere Zufuhr von Sojaisoflavonen und Sojaprotein senkt das Risiko an Brustkrebs und Krebs im Allgemeinen zu sterben (Nachvak et al., 2019).
Allerdings zeigt sich die schützende Wirkung vor allem bei Frauen aus dem ostasiatischen Raum und weniger in anderen Regionen, in denen Soja weniger häufig konsumiert wird. Es gibt Hinweise, dass Soja vor allem dann schützend wirkt, wenn es bereits ab dem Kindesalter und vor der Pubertät gegessen wird (Wu et al., 2008; Zhao et al., 2019). Dabei dürfte auch die Verstoffwechselung der verschiedenen Isoflavonoide im menschlichen Körper eine Rolle spielen. So scheint zum Beispiel das von bestimmten Darmbakterien aus Daidzein gebildete S-Equol besonders wirksam zu sein. Seine Produktion hängt von der Zusammensetzung der Darmflora ab. In westlichen Ländern sind etwa 20-35 Prozent der Menschen Equol-Produzenten, unter AsiatInnen dagegen 50-80 Prozent. Bei australischen VegetarierInnen wurde eine Rate von 59 Prozent gemessen (Setchell & Cole, 2006). Außerdem scheinen Sojaprodukte wirksamer zu sein als isolierte Isoflavone, welche das Tumorwachstum womöglich sogar anregen können (Wu et al., 2008; Zhao et al., 2019). Allerdings gibt es bislang keine Hinweise auf Gefahren durch den Verzehr von Sojaprodukten als Teil einer abwechslungsreichen Kost. Dazu kommt, dass Isoflavone das Krebswachstum auch noch über andere Mechanismen hemmen können, wie zum Beispiel ihre antioxidative Wirkung, eine Hemmung der Bildung von Östradiol aus Vorstufen, den Abbau von Kanzerogenen und die Auslösung des programmierten Zelltods (Apoptose) in Krebszellen (Magee & Rowland, 2004). Auch unter hohen Dosen an Soja-Isoflavonoiden beobachtete Störungen der Schilddrüsenfunktion traten nur in Zusammenhang mit einer unzureichenden Jodversorgung auf und konnten durch eine adäquate Jodzufuhr beseitigt werden (Tonstad et al., 2015). Dazu tragen im Jodmangelland Österreich die verpflichtende Jodierung von Kochsalz und die Aufnahme von jodhaltigen Lebensmitteln wie Fisch, Meeresfrüchten und Milchprodukten bei.
Aufgrund ihrer hormonähnlichen Wirkung werden Isoflavone zur Milderung von Wechselbeschwerden wie Hitzewallungen eingesetzt, unter denen Ostasiatinnen weniger häufig leiden. Ihre Wirksamkeit ist allerdings umstritten und Studien ermöglichen keine einheitliche Aussage, obwohl die Ergebnisse insgesamt durchaus auf eine leichte Verminderung vor allem von stark ausgeprägten Hitzewallungen hindeuten (Li et al., 2015).
Isoflavone beugen auch der Entstehung von Artherosklerose vor, indem sie die Gefäßfunktion und das Blutlipidprofil verbessern, oxidativen Stress und Entzündungsvorgänge vermindern und die Blutgerinnung reduzieren. So erhalten sie die Integrität der Endothelzellen, die die Innenseite der Blutgefäße auskleiden, und halten die Membranbarriere intakt. Sie stimulieren die Freisetzung gefäßerweiternder Faktoren wie Stickstoffmonoxid unter anderem und hemmen die Bildung und Wirkung von gefäßverengenden Botenstoffen wie Angiotensin II. Sie verhindern auch die übermäßige Wucherung der glatten Gefäßmuskulatur, welche die Gefäßwand verdickt (Gencel et al., 2012).
Phytosterine
Eine weitere Klasse von sekundären Pflanzenstoffen in Sojabohnen ist die der Phytosterine (bzw. Phytosterole). Diese Verbindungen haben eine dem Cholesterin ähnliche Struktur und werden im Dünndarm wie dieses in Mizellen aufgenommen und über die gleichen Wege absorbiert, nur viel weniger effizient. Bei ausreichend hoher Aufnahme (1,5-3 g) verdrängen sie dennoch einen Teil des Cholesterins aus den Mizellen, welches dann mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Dadurch wird dem Körper auch endogen erzeugtes Cholesterin entzogen (s. Abb. 2). Die tägliche Zufuhr von 3 g Phytosterinen über mindestens zwei bis drei Wochen senkt den LDL-Cholesterinspiegel im Blut um durchschnittlich 11 Prozent. Phytosterine werden zu diesem Zweck zum Beispiel Margarine zugesetzt. Die Wirkung ist gut belegt und deshalb für Phytosterine ein entsprechender Health Claim von der European Food Safety Authority (EFSA) zugelassen. Eine Aufnahme von mehr als 3 g bringt allerdings keinen weiteren Nutzen (EFSA, 2012).

Abb. 2 Hemmung der Cholesterinabsorption im Darm durch Phytosterine
Studien weisen außerdem auf Schutzeffekte von Phytosterinen vor manchen Krebsarten hin. Dies könnte auf verschiedene Mechanismen zurückzuführen sein, darunter eine antioxidative Wirkung der Phytosterine und dadurch bedingte Verminderung von oxidativen Erbgutschäden und Entzündungsvorgängen, die Stimulierung der Immunantwort und damit verbesserte Abtötung von Krebszellen sowie die Förderung des programmierten Zelltods bei entarteten Zellen (Woyengo et al. 2009; Shahzad et al., 2017).
Sojabohnen sind eine nachhaltige Quelle für hochwertiges Pflanzeneiweiß und –fett und enthalten eine Fülle von gesundheitsfördernden Substanzen, welche sich besonders günstig auf das Herz-Kreislaufsystem auswirken und sogar zur Krebsprävention beitragen können. Insofern sollten sie als Teil einer ausgewogenen vollwertigen Ernährung öfter direkt oder in Form von aus ihnen produzierten Lebensmitteln wie beispielsweise Tofu, Miso oder Tempeh auf den Tisch kommen anstatt vorwiegend als Viehfutter zu dienen.
EMER. UNIV.-PROF DR. IBRAHIM ELMADFA: Studium der Ernährungswissenschaften und vorher Lebensmittelwissenschaften, Promotion und Habilitation in Ernährungswissenschaften an der Universität Gießen. Universitäts-Professor für Ernährung des Menschen in Gießen (1980-1990) und Wien (1990-2011), dort seither als emeritierter Professor tätig. Wissenschaftlicher Berater im nationalen und internationalen Bereich (u.a. Österreichisches Gesundheitsministerium, Europäische Kommission, WHO/FAO/UNICEF/World Bank). Herausgeber des Österreichischen Ernährungsberichts 1998, 2003, 2008 und 2012 sowie des European Nutrition and Health Report 2004 und 2009. Autor bzw. Co-Autor von über 450 Originalartikeln, der Lehrbücher „Ernährung des Menschen“, „Ernährungslehre“, „Lebensmittelchemie und Ernährung“ sowie weiterer Fachbücher, Ratgeber und Nährwerttabellen.
DR. ALEXA LEONIE MEYER: Nach dem Studium der Ernährungswissenschaften an der Universität Wien, Promotion zum Thema Probiotika und Immunantwort 2006, seither als Mitarbeiterin von Prof. Elmadfa an zahlreichen Fachpublikationen beteiligt.
Quellen
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Ein Kommentar zu „Die Bedeutung der Sojabohne für die Ernährung des Menschen“
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